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Kennedy Space Center − 3, 2, 1, lift off

The Star-Spangled Banner − Am Morgen machen wir uns zeitig auf den Weg, um das Kennedy Space Center bei Türöffnung zu erreichen. Wir sind so früh vor Ort, dass wir sogar das spezielle Morgenritual mitverfolgen können. Bevor die Kassenhäuschen geöffnet werden, schallt den Besuchern und Angestellten aus Lautsprechern die amerikanische Nationalhymne entgegen.

Wir buchen eine Up Close Tour für stolze $59 pro Person. Die Bustour wird von einem Weltraumexperten begleitet und verspricht viele Insiderinformationen und Nahansichten von den Space Shuttle Startrampen, Landepisten etc. Leider spricht der Fachmann aber so schnell, dass wir von seinen Erläuterungen fast nichts verstehen. Wegen dem faszinierenden Thema ist die Tour trotzdem interessant. Zuerst werden wir zu einem Aussichtspunkt gefahren, von wo aus wir freie Sicht auf die beiden Launch Pads (Startrampen) 39A und 39B haben. Diese wurden ursprünglich für die Apollo-Flüge zum Mond mit den Raketen vom Typ Saturn V gebaut. Später wurden die Startrampen für die heute benutzten Space Shuttles umgebaut.

 

Space Shuttle − Der Shuttle ging aus dem Versuch hervor, ein wiederverwendbares Raumfahrzeug zu entwickeln. Dies sollte zu einer Kostenersparnis gegenüber den bis dahin üblichen Raketen führen, bei denen alle Teile nur einmal verwendet werden konnten. Die erwartete Ersparnis konnte allerdings nicht erreicht werden; ein Shuttlestart kostet heute knapp eine halbe Milliarde Dollar, etwa fünfmal so viel wie ein Start mit einer Rakete gleicher Nutzlastkapazität.

Die Entwicklung des Space Shuttles dauerte Jahre und stand zeitweise knapp vor dem Aus. Dass das Projekt trotz Budgetüberschreitungen weitergeführt wurde, ist wohl auch der amerikanischen Luftwaffe zu verdanken. Diese bekundete nämlich ebenfalls Interesse an einem wiederverwendbaren Raumfahrzeug. So kamen zu den gewünschten Anforderungen der NASA noch jene der Luftwaffe hinzu. Darunter eine vergrösserte Nutzlastbucht für den Transport von grossen Spionagesatelliten etc.

Um all diese Anforderungen zu erfüllen, entschied man sich für ein dreiteiliges Konzept. Der Space Shuttle setzt sich aus dem eigentlichen Space Shuttle (Orbiter) mit dem Mannschafts- und Frachtraum, dem Aussentank und den beiden Feststoffraketen (Booster) zusammen.

 

3, 2, 1, Lift off − Um die Startanlagen und das Gefährt vor den zerstörerischen Schallwellen zu schützen, die beim Lift off entstehen, werden beim Start innerhalb weniger Sekunden mehr als eine Million Liter Wasser auf den unteren Bereich des Raumfahrzeugs gesprüht. Obwohl diese Technik schon bei den Saturn V Raketen eingesetzt wurde, sind damals in der etwa 20 km entfernt liegenden Stadt Titusville regelmässig die Fensterscheiben geborsten.

Zurück zum Space Shuttle. Zuerst werden die Haupttriebwerke gezündet. Noch kann der Start in dieser Phase abgebrochen werden. Sobald auch die beiden Feststoffraketen gezündet sind, gibt es allerdings kein Zurück mehr. Die Bolzen, die die Booster bis jetzt an der Startrampe festgehalten haben, lösen sich Sekundenbruchteile später und der Space Shuttle hebt ab.

Die beiden Feststoffraketen haben eine Brennzeit von etwa zwei Minuten und produzieren rund 80 Prozent des Gesamtschubs. In dieser Zeit verbrauchen sie fast 10 Tonnen Treibstoff pro Sekunde. Nachdem sie ausgebrannt sind, werden sie in einer Höhe von rund 50 km abgetrennt, steigen jedoch dank ihrer hohen Geschwindigkeit noch auf 70 km Höhe auf. Dann erst fallen sie zurück in den atlantischen Ozean. Zwei Bergungsschiffe der NASA schleppen die leeren Hüllen zum Kennedy Space Center zurück. Dort werden sie überprüft und später wiederverwendet.

Nach der Abtrennung der Booster fliegt der Space Shuttle nur mit Hilfe seiner Haupttriebwerke, die vom Aussentank mit Brennstoff versorgt werden, weiter. Nach ungefähr achteinhalb Minuten Brenndauer wird der Außentank in rund 110 km Höhe abgeworfen, wo er grösstenteils verglüht. Die übrigen Teile des Tanks fallen in den Pazifik und können leider nicht wiederverwertet werden. Die drei Haupttriebwerke, die bis dahin die 1,8 Millionen Liter Treibstoff (flüssiger Sauer- und Wasserstoff) vom Aussentank verbrennt haben, werden abgeschaltet. Von nun an wird der Space Shuttle nur noch durch das Orbital Maneuvering System (OMS) und Reaction Control System (RCS) angetrieben und gesteuert.

 

Im Orbit (Umlaufbahn) − Der Space Shuttle kann sehr vielfältig eingesetzt werden. Typische Aufgaben für eine Mission bestehen im Aussetzen bzw. Einfangen von Satelliten, dem Durchführen von wissenschaftlichen Experimenten oder dem Ausführen von Aufbauarbeiten an der internationalen Raumstation ISS. Nebst der Arbeit ist die Crew oft mit körperlichem Training beschäftigt, um der Muskelrückbildung in der Schwerelosigkeit entgegenzuwirken. Der Orbiter kreist mit bis zu 8 km pro Sekunde um die Erde! Das bedeutet, dass er pro Umrundung unseres Planeten gerade mal 90 Minuten braucht.

 

Vehicle Assembly Building − Von der Aussichtsplattform auf die Startrampen geht es mit dem Bus weiter zum NASA Vehicle Assembly Building. Unterwegs halten wir an, um die, sich am Ufer von Flussläufen sonnenden, Alligatoren zu beobachten.

Das Vehicle Assembly Building (VAB) ist eine riesige Montagehalle, in der früher die Saturn V Raketen und heute die Space Shuttles zusammengebaut und für den Start vorbereitet werden. Das Gebäude ist ungefähr 160 m hoch, 218 m lang und 158 m breit und gehört damit zu den grössten Hallenbauten der Welt. Die Tore, durch welche die Space Shuttles nach draussen gebraucht werden, sind fast 140 m hoch und benötigen 45 Minuten, um sich vollständig zu öffnen. Zutritt zu dem Gebäude erhalten nur hochautorisierte NASA-Mitarbeiter und US-Regierungsvertreter. So heisst es für uns leider draussen bleiben.

Vom VAB aus führen zwei Schotterspuren zu den etwa sechs Kilometer entfernt gelegenen Startplätzen 39A und B, welche wir zuvor besichtig haben. Das Kennedy Space Center besitzt zwei Crawler Transporter, mit denen die unbetankten und startfertigen Shuttles auf der Schotterpiste zu den Startplätzen gefahren werden. Erst bei den Launch Pads (Startrampen) werden die Space Shuttles beladen und betankt.

 

Zurück auf der Erde − Weiter führt unsere Tour zur 4,5 km langen und 90 m breiten Landepiste der Space Shuttles. Sobald der Orbiter auf dem Rückweg zur Erde in unsere Atmosphäre eindringt, wird er aerodynamisch abgebremst. Die Triebwerke kommen nicht mehr zum Einsatz. Anflug und Landung erfolgen antriebslos, was bedeutet, dass es nur einen Versuch gibt. Beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre wird die Raumfähre durch spezielle Hitzeschutzkacheln an der Front- und Unterseite des Gefährts vor der extremen Hitze von bis zu 1650°C geschützt.

Der Landeanflug eines Space Shuttles erfolgt steiler und schneller als bei normalen Verkehrsflugzeugen. Er setzt mit rund 340 km/h auf (etwa 1,5 x so schnell) und benötigt zur Verkürzung des Bremswegs einen Bremsschirm. Wenn das Wetter eine Landung in Florida unmöglich macht, stehen der NASA zwei Alternativen zur Verfügung: die beiden Luftwaffenbasen Edwards (Kalifornien) und White Sands (New Mexico).

 

Eine Ära geht zu Ende − Der letzte Flug eines Space Shuttles wird voraussichtlich 2010 stattfinden, wenn die Aufbauarbeiten an der internationalen Raumstation beendet sind. Damit geht die Ära des Space Shuttles zu Ende, die 1981 mit dem Flug der Columbia begann. In dieser Zeit verunglückten zwei der fünf gebauten Space Shuttles und rissen jeweils alle 7 Crewmitglieder in den Tod. 1986 erlitt der Space Shuttle Challenger kurz nach dem Start einen Defekt an der Feststoffrakete und zerbrach in der Luft. Die Columbia verglühte 2003 wegen eines Defekts am Hitzeschild beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre.

Als Nachfolger der Space Shuttle sind derzeit die Ares I und V in Entwicklung. Mit ihnen will die NASA zum Mond zurückkehren und mit dem Mars neue Sphären entdecken. Man darf also gespannt sein.

 

Saturn V − Die geführte Up Close Tour endet beim Apollo/Saturn V Center. Dieser Komplex ist den Apollo Flügen zum Mond gewidmet. Im Firing Room Theater erleben wir eine Startsimulation aus der Sicht des Controllcenters mit. Man kann die Spannung, die bei einem solchen Ereignis herrscht, förmlich spüren. Nicht minder beeindruckend ist die ausgestellte Saturn V Rakete. Man muss sie mit eigenen Augen sehen, um deren Dimensionen zu begreifen. Die Rakete ist 110 m lang und dreistufig aufgebaut.

 

Stufe 1 (S-IC) − Die fünf Triebwerke der ersten Stufe werden mit flüssigem Sauerstoff (ca. 1,6 Mio. Liter) und Kerosin (ca. 1,0 Mio. Liter) gespeist. Beide Treibstoffarten befinden sich in übereinander liegenden Tanks. Vier der fünf Triebwerke sind schwenkbar und ermöglichen somit eine Änderung und Korrektur der Flugrichtung der Rakete. Bei der Zündung entstanden in den Brennkammern Temperaturen von über 3000° C. Die 2900 t schwere Saturn V wurde mit bis zu 13’400 km/h innerhalb von 2,5 Minuten in eine Höhe von 60 km gebracht. Dann wurde die erste Stufe abgesprengt und die zweite Stufe gezündet.

 

Stufe 2 (S-II) − In dieser Stufe erreichte die Rakete 25’000 km/h und eine Höhe von 180 km. Nach etwa 6,5 Minuten war auch die zweite Stufe ausgebrannt. Nun kam die letzte Stufe zum Einsatz.

 

Stufe 3 (S-IVB) − Die dritte Stufe wird von einem einzelnen Triebwerk angetrieben. Dieses brachte die Saturn V in die Erdumlaufbahn. Um diese wieder zu verlassen und den Weg zum Mond aufnehmen zu können, musste das Triebwerk nochmals gezündet werden. In dieser Phase erreicht die Rakete die Spitzengeschwindigkeit von 39’000 km/h. Es beginnt eine der heikelsten Phasen der Mission. Die Apollokapsel an der Spitze der Rakete, bestehend aus dem Service- und Kommandomodul, trennt sich von der dritten Raketenstufe ab. Nach einer Drehung von 180° dockt die Apollokapsel mit der Spitze an die Mondlandefähre, die sich noch immer in der dritten Raketenstufe befindet, an und zieht sie von dort heraus. Die Landefähre und die Apollokapsel sind nun alleine unterwegs. Sobald sie die Mondumlaufbahn erreicht und abgebremst haben, steigen zwei Astronauten vom Kommandomodul in die angedockte Landefähre um. Der dritte Mann im Bunde bleibt alleine in der Apollokapsel zurück und umkreist darin den Mond.

Für die beiden Mondfahrer beginnt währenddessen das heikle Landemanöver. Dazu bremst die Landefähre immer weiter ab, um den Orbit (Umlaufbahn) zu verkleinern und sich dem Mond zu nähern. Sobald die Landefüsse mit der Mondoberfläche in Kontakt kommen, stellt das Landetriebwerk ab. The Eagle has landed!       

 

That’s one small step for a man, one giant leap for mankind − Gut geschützt in ihre Raumanzüge verpackt, öffnen die beiden Astronauten die Luke und klettern über eine Leiter auf die Mondoberfläche. Über 500 Millionen Fernsehzuschauer weltweit verfolgten 1969 Neil Armstrong und Buzz Aldrin, als sie als erste Menschen überhaupt, den Mond betraten. Wir haben diesen grossen Moment in der Geschichte leider nicht live miterlebt. Hier im Kennedy Space Center wird das Ereignis aber in allen Facetten und voller Dramaturgie dargestellt. Wir bekommen annähernd ein Gefühl dafür, welche angespannte Atmosphäre damals unter den Zuschauern und den am Projekt beteiligten Leuten geherrscht haben muss.

Armstrong und Aldrin verbrachten 2,5 Stunden auf dem Mond. Dabei sammelten sie Gesteinsproben, installierten ein paar Forschungsgeräte und machten Fotos. Zurück in der Mondlandefähre werden die Geräte geprüft und, wenn alles okay ist, die sogenannte Aufstiegsstufe von der Abstiegstufe mit den vier Landebeinen getrennt. Dieser Teil dient nämlich der Aufstiegsstufe als Startrampe und bleibt auf dem Mond zurück. Der Zeitpunkt des Starts ist genau so gewählt, dass die Fähre direkt auf das, in der Mondumlaufbahn kreisende, Apollo-Mutterschiff trifft. Nach dem Andocken kehren die beiden Mondfahrer in das Apollo-Kommandomodul zurück. Nun wird die Aufstiegsstufe der Mondlandefähre abgestossen und über dem Mond zum Absturz gebracht. Bevor das Apollo-Raumschiff wieder die Erdatmospähre erreicht, wird auch das Servicemodul abgestossen. Die Kommandokapsel mit den drei Astronauten kehrt alleine zur Erde zurück. Dazu wird sie nochmals gedreht, um mit dem Hitzeschild voran in die Erdatmospähre einzutreten. Dabei muss auf einen exakten Eintrittswinkel geachtet werden, um nicht zu verglühen oder zurück in den Weltraum geschleudert zu werden. In der letzten Phase öffnen sich die Bremsfallschirme und die Kapsel schlägt langsam auf der Meeresoberfläche auf. Per Hubschrauber wird die Kapsel und die Astronauten geborgen. Die Mission ist geglückt.

Das mag nun alles sehr kompliziert tönen. Mittels Filmen, Ausstellungsobjekten und dazugehörenden Informationstafeln gelingt es dem Kennedy Space Center jedoch, die Thematik auf interessante und verständliche Weise rüberzubringen. Und obwohl wir inzwischen bereits mehrere Stunden im Zentrum verbracht haben, haben wir noch längst nicht alles gesehen. Wir nehmen beim «Astronaut Encounter» teil, wo ein echter Astronaut über seine Erlebnisse im All berichtet und Fragen beantwortet. Im IMAX Kino sehen wir uns einen Film über die internationale Raumstation an und spazieren anschliessend durch den Rocket Garden, wo historische Raketen in den Himmel ragen. Man kann sogar in einem in Echtgrösse nachgebauten Space Shuttle Orbiter wandeln.

 

Ruhm und Ehre − Nach diesem intensiven Tag verbringen wir die Nacht wieder vor dem WalMart. Am nächsten Morgen besuchen wir die «Astronaut Hall of Fame», für deren Besuch es uns gestern nicht mehr gereicht hat. Die Hall of Fame gehört ebenfalls zum Kennedy Space Center und wir erhalten mit unserem Eintrittsbillet von gestern freien Zugang. In dieser Ausstellung erhält man anhand von Dokumenten, Originalobjekten und Portraits nochmals einen Überblick über die Geschichte der Raumfahrt. Noch einmal bekommen wir die wichtigsten Eckdaten des technischen Fortschritts erläutert; erfahren mehr über den Wettkampf zwischen Russland und der USA, den Russland 1961 gewann, als sie mit Juri Gagarin den ersten Menschen ins All beförderten. Und natürlich werden auf sehr amerikanische Art glückliche und tragische Helden der Raumfahrt geehrt.
In einem weiteren Raum hat man die Möglichkeit bei einigen Experimenten mitzumachen. So kann man zum Beispiel im G-Force Trainer erfahren, welche Kräfte bei einem Raketenstart auf unsere Körper wirken. Solchen Tests wollen wir uns in unserem Alter nicht mehr aussetzen. Wir begnügen uns damit, im Simulator einen Space Shuttle korrekt zu landen.

Nachdem wir uns im Souvenirshop des Kennedy Space Centers mit ein paar Andenken eingedeckt haben, verlassen wir die sogenannte Space Coast und fahren Richtung Norden. Dabei stellen wir ein steigendes Verkehrsaufkommen von Motorrädern fest. Das hat seinen guten Grund, den in Daytona Beach findet momentan die berühmt berüchtigte Bike Week statt. Der zehntägige Anlass richtet sich hauptsächlich an Harley Davidson Fans und zieht jährlich etwa eine halbe Million Menschen an. Die meisten reisen natürlich mit dem Motorrad an und so kommen wir uns mit Nanuq mitunter etwas fehl am Platz vor. Wir parkieren ein paar Blocks vom Zentrum entfernt und stürzen uns danach zu Fuss ins Getümmel entlang der Main Street.